Inhaltsverzeichnis
Teil I - traum und wirklichkeit
der blutmann
theater der nacht
katzenleben
staub und malachit
Teil II - der name des todes
eisenkuss
das gegenteil von einsamkeit
graumeer
gefängnis aus holz
wellen und flügel
die zweite wirklicheit
schwarzer honig
Teil III - indigo
fesseln
narben
elfenbeinmund
tribunal
der innere zirkel
die kammern der winde
zorva
Teil IV - loved
die goldene barke
dajee
blutherz
schwarz und weiß
winterblüten
das lied der dinge
Teil V - schnee und asche
mitternacht
falter aus glas
das versprechen
libellen im schnee
menschenherz
»Und schließlich gibt es das älteste und tiefste Verlangen,
die große Flucht: dem Tod zu entrinnen. «
»Wer vor dem Tode flieht, läuft ihm nach. «
Teil I
traum und wirklichkeit
der blutmann
I
Das war jedes Mal der Moment, in dem sie sich losriss: Sie holte keuchend Luft, kämpfte sich aus dem Schlaf hoch und floh in die schützende Dunkelheit der Wirklichkeit, floh aus dem Bett, auf bloßen Füßen durch das Zwielicht der Nacht zu dem Waschbecken neben der Tür. Erst als sie kaltes Wasser im Gesicht spürte, ließ die Angst ein wenig nach. Benommen trat sie dann auf den schmalen Balkon, der hoch über dem Ozean der Stadtlichter dahintrieb. Dort betastete sie immer und immer wieder ihre Handgelenke und vergewisserte sich, dass sie makellos waren - ohne Wunden und auch ohne alte Narben.
Niemals hatten Fesseln diese Haut berührt.
theater der nacht
Mit den Raubkatzen war in dieser Nacht nicht zu spaßen; die Dompteure hatten alle Hände voll zu tun. Ein gutes Zeichen, denn es bedeutete nicht nur, dass der Zuschauerraum voll war, sondern auch, dass vor und hinter den Kulissen eine besondere Anspannung herrschte. Es war gut für das Stück, das vor allem vom Auftritt der Tiere lebte, und gut für das Spiel der menschlichen Darsteller. Denn jetzt, in den ungewöhnlich heißen Tagen eines schläfrigen Herbstes, drohte sich auch bei der Theatertruppe eine gewisse Trägheit einzuschleichen.